Schiffsleben

Mal ein paar Worte zum Schiffsleben. Der Großteil der Crew arbeitet ehrenamtlich und bezahlt seinen Einsatz aus eigener Kasse. (Oder hat sich einen Spenderkreis aufgebaut). Die Organisation übernimmt in der Regel keinerlei Kosten. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber auf dem Schiff gibt es nur wenige Positionen bei denen das anders ist. Die Kosten für den Aufenthalt hängen von der Dauer des Einsatzes ab. Je länger, desto günstiger.
Im Umkehrschluss heißt das, jeder auf dem Schiff hat seinen eigenen Grund “bezahlt” zu arbeiten. Einige sind aus tief religiösen Gründen hier, andere wollen einfach mal etwas “machen”, ohne ständig dem schnöden Mammon hinterher zu rennen. Wieder andere wollen “etwas” zurückgeben. So hat jeder seine eigene Vision oder Mission. Geld ist jedenfalls bei keinem die “Mohrrübe”. Das alleine ist schon Grund genug, warum die Arbeitsbedingungen etwas spezielles sind. Eine Führungskraft kann daher nicht als “Manager” auftreten, sondern muss, wie der Name schon sagt, Leute führen und leiten können. Ein ganz wesentlicher Unterschied im täglichen Umgang miteinander. Innerhalb einer Abteilung oder auch auf dem ganzen Schiff. Es wird kein Unterschied gemacht, ob jemand “Manager” oder als Putzkraft auf dem Schiff unterwegs ist. Wobei es durchaus vorkommen kann, dass ein Rechtsanwalt für ein paar Wochen in der Putzkolonne arbeitet.
In einer IT Abteilung kommt ein interessanter Aspekt hinzu: Innerhalb eines Unternehmens hat sie nicht immer den besten Ruf, da sie immer nur dann gerufen wird, wenn etwas nicht funktioniert. Entsprechend sind die Leute oft gelaunt. Hier dagegen freut man sich, wenn jemand vom Support kommt und Probleme löst (von denen man oft selbst keine Ahnung hat). Das liegt ganz sicher auch am Arbeitsumfeld. Die “Kunden” auf dem Schiff sind keine IT Nerds, die immer alles besser wissen, sondern i.d. Regel Fachfremde, die den PC Kram lediglich als Anwender kennen und froh sind wenn ihnen geholfen wird. In der IT Abteilung haben wir deshalb das Motto ausgesprochen: “Die Mission ist erledigt, wenn der Kundschaft lächelt”. Vielleicht war es oft eher ein herausgepresstes grinsen. Aber bisher denke ich ist es uns ganz gut gelungen, :-).
Was die Unterkünfte angeht, so gibt es von der Einzelkabine bis zu den 10er Kabinen und Familienunterkünften alles. Wobei es hier durchaus eine Rangordnung gibt. Die Einzel,- bzw. Doppelkabinen sind den Chirurgen und Offizieren vorbehalten. Wenn man sich für längere Zeit verpflichtet muss man ein spezielles, vierwöchiges Programm durchlaufen und bekommt nach dem Training eine entsprechend kleinere Kabine zugeteilt. Selbst bin ich in einem sechser Zimmer und teile mir, mit einem der beiden Köche an Bord, das Stockbett. Eine recht “kuschelige” Angelegenheit, aber für ein paar Monate kein Problem. Für die Privatsphäre heißt das aber auch: die gibt es so nicht. Ruckzugspunkte auf dem Schiff gibt es wenige, alles ist mehr oder weniger “öffentlich”.
Das Essen hat auch auf dem Schiff eine große Bedeutung. So gibt es Frühstück, Mittag- und Abendessen. Ein paar “Routinen” sind die Pancakes am Mittwoch und die frischen Waffeln, zum Wochenausklang, jeweils Freitags. Als “running gag” gilt: Wer die Freitagswaffeln irgendwann nicht mehr sehen kann, sollte sich überlegen, ob er nicht schon zu lange auf dem Schiff ist. Bei den Hauptmahlzeiten ist zu 99% Reis dabei. Auf lange Sicht nicht jedermanns Sache. Gerade die Europäer freuen sich riesig, wenn es mal Nudeln oder Kartoffeln gibt. Von der Senegalesischen Regierung gibt es als Dankeschön für den Einsatz von MercyShip jeden Tag Rindfleisch, entsprechend der Menge einer Kuh gespendet. Sehr oft gibt es auch Hühnchen, was bedeutet Vegetarier haben es nicht ganz so leicht und Veganer tun sich sehr schwer.
Zum wöchentlichen Rhythmus gehören drei Termine. Jeden Montag gibt es ein StartUp Meeting, bei dem die neuen Crewmitglieder begrüßt und andere, die das Schiff verlassen, geehrt werden. Aktuelle Themen oder kommende Veranstaltungen auf dem Schiff werden ebenfalls kurz angesprochen. Ein Dauerrenner ist die Handhygiene, die man tunlichst berücksichtigen soll, da wieder eine Magen Darm Geschichte oder eben etwas anderes ausgebrochen ist. Jeden Donnerstag gibt es eine Art Gottesdienst, bei dem auch auf aktuelle Operationen im Krankentrakt eingegangen wird. Schlussendlich findet jeden Sonntagabend ein eher amerikanisch angehauchter Gottesdienst statt. Während der Woche gibt es hin und wieder interessante medizinische Vorträge einzelner Chirurgen, oder wie vor kurzem der Physiotherapeuten.
Eine Besonderheit auf einem Schiff, auch wenn es im Hafen liegt, sind die alle zwei Wochen stattfindenden Rettungsübungen. Diese sind gesetzlich vorgeschrieben und werden auch gewissenhaft durchgeführt. Da ich als Krankenträger im Rettungsteam eingruppiert bin, kann ich mich auch nicht davor drücken. Bei diesem sogenannten “FireDrill” wird das komplette Programm abgespult. Die Feuerwehrmänner müssen in die Anzüge, es gibt ein paar “Opfer” die geborgen, medizinisch versorgt und am Ende abtransportiert werden. Parallel hierzu wird das ganze Schiff (jedoch ohne Patienten und Notversorgung) evakuiert. Ein Spektakel, das über eine Stunde in Anspruch nimmt.