Quarantäne

In der Qurantänezeit war die Welt eine Kleine. Man hatte den Eindruck, die Wände der Kabine zogen sich im Laufe der Zeit immer weiter zusammen. Der Raum wurde zunehmend enger. Der Tagesablauf war Routine, das half ungemein nicht ganz “Gaga” zu werden.
Wir waren zu viert, die sich im selben Zeitraum in Quarantäne befanden und eigentlich einen Coronatest bekommen sollten. Aufgrund eines spanischen Feiertages und mangelhafter Organisation mussten wir dann aber die vollen zwei Wochen der Quarantänezeit “absitzen”. So zogen wir auf dem oberen Deck in den Abendstunden ein paar Extrarunden, aber wenigstens gab es ein paar Gesprächspartner während unseres “Freigangs”. Ein Highlight des Tages war, neben dem Anruf zur Bestellung des Mittagessens, Freddy. So nannten wir den kleinen Hammerhai, den wir, stets zur selben Zeit an der Bordwand entlang schwimmen sahen.
Jeder nutze die freie Zeit auf seine Art. Selbst konnte ich mich seit langem mal wieder dem Amateurfunk widmen. Ein Funkfreund gab mir ein UHF DMR Gerät mit und so und konnte über die zwei Relais auf der Insel mit Deutschland funken.
Als ich dann endlich wieder auf “freiem Fuss” war, erkundete ich meine neue, immer noch bescheiden kleine Welt. Sie reichte an der 1,5km langen Kaimauer bis hin zur größten, schwimmenden Bohrinsel der Welt. Ein Ungetüm aus Stahl, die “Great Oceanwhite”. Wegen fehlenden Aufträgen lag sie schon seit ein paar Monaten, sozusagen als unser stiller Nachbar, im Hafenbecken. Ein imposanter Anblick, wenn man direkt unter der Plattform stand.
Sogleich an meinem ersten Arbeitstag ging eine gute Kunde durch das Schiff: Nach zähen Verhandlungen mit den spanischen Behörden hat es MercyShips erreicht, dass die Crew in kleinen, bescheidenen und sehr eingeschränkten Dosen das Hafengebiet verlassen darf. Für viele ergab sich nach acht Monaten an Bord die erste Möglichkeit, zu einem Supermarkt oder sogar an den Strand zu fahren. Die Ausflüge waren zeitlich begrenzt und ein freies Bewegen war ebenfalls nicht möglich, aber immerhin ein Anfang! Die Freude war groß, auch wenn es einige gab, die mit der ersten Freiheit noch nicht so viel anfangen konnten.
Viel hatte sich an den IT-Systemen im Gegensatz zu meinem letzten Einsatz nicht verändert und ich konnte sofort loslegen. Aber auch hier hatte Corona einen großen Einfluss auf die Tätigkeit. Es waren die Kleinigkeiten warum die Projekte nicht durchgeführt werden konnten. Es fing an, dass Container mit Ersatzteilen sehr lange in Quarantäne lagen und damit extrem verzögert in Teneriffa ankamen. Personal, dass lediglich für zwei oder drei Wochen an Bord eingeplant war und entsprechendes “KnowHow” mitbringen sollte, konnte wegen den Quarantäne-Vorschriften nicht eingeflogen werden. Auch war der Einsatz mit lokalen Handwerkern, wegen Coronamaßnahmen nur eingeschränkt möglich.
Das Schiffsleben musste sich ebenfalls dem Virus unterordnen. So war das Maskentragen an Bord Pflicht. Es nahm ein wenig den Reiz der ansonsten sehr lebendigen Gemeinschaft. Lediglich in den Kabinen, die in der Regel mit maximal zwei Leuten belegt waren oder an Deck, wenn niemand anders da war konnte auf die Maske verzichtet werden.
Aufgrund der Lockerungen zog ich an meinem ersten freien Sonntag sogleich mit meinem IT Kollegen aus Kasachstan los. Wir fuhren an den nicht weit abgelegenen Strand und konnten eine kleine Wanderung unternehmen. Er war einer der Kandidaten, die schon seit Monaten auf dem Schiff ohne Ausgang verweilten. Endlich hatte er die Gelegenheit und konnte das Schiff aus einer anderen Perspektive, aus gut 10km Entfernung von einem Aussichtshügel sehen. Er war sichtlich gerührt!