Bitte lächeln

Nach der Grenze wurde der Weg immer schmaler. Eine Spur aus festgefahrenem Lehm, auf der man lediglich mit einem Mofa, Fahrrad oder zu Fuß hin durchkam. Nach gut 5 km erreichte ich wieder ein Dorf. Strohhütten, eine Feuerstelle der Gemeinschaft und überall Kinder. Mit seiner verschlissenen Uniform erkannte ich den unter einem Mangobaum sitzenden Militär nicht und radelte vorbei. Er pfiff mich zurück. Die Begrüßung war daher etwas hölzern. Das Visum hatte ich diesmal vorsorglich schon in Bissau organisiert, aber das einzige was er sehen wollte, war meine Gelbfieberimpfung und ich konnte weiter. Die Abfahrt in das zu überquerende Flusstal war so steil, dass ich schieben musste. Unten lümmelte ein Fährmann im Schatten. Wir verhandelten den Preis. Noch hatte ich CFA’s, die er dankend annahm. Mit meiner Überfahrt erwirtschaftete er vermutlich seinen Wochenumsatz, aber das war mir in diesem Moment egal. Wir verluden das Rad in das kleine Boot und er paddelte mich auf die andere Seite. Dort lag eine abgewrackte Gierseilfähre. Auf die Frage, warum diese nicht mehr im Betrieb sei, bekam ich nur ein Schulterzucken. War eben defekt. Es war zum Verzweifeln…
Bis zur eigentlichen Immigration von Guinea zog es sich noch gut 10km. In diesem Korridor gab es nur stationiertes Militär, die zwar ständig kontrollierten, aber mir keinen Stempel gaben. Der Immigrationsbeamte saß gemütlich im Schatten seines Strohunterstandes, hatte aber zur Abwechslung mal eine vernünftige Uniform. Akkurat schrieb er meine Passnummer in ein Büchlein, dass noch Platz für viele Besucher hatte. Stark frequentiert scheint es hier nicht zu sein…
Die Tour ging 100km durch abgeschiedenes Gebiet und abgelegene Dörfer. Es gab, außer ein paar Bananen am Straßenrand, nicht viel zu kaufen. Die kalte Cola war damit passe und das Wasser wurde wieder abgekocht. Die Kinder jubelten mir zwar immer noch fröhlich zu, die Erwachsenen verhielten sich dagegen sehr reserviert. Beim Auffüllen meiner Wasserflaschen am Dorfbrunnen musste ich tief in die Trickkiste greifen um den Bewohnern ein Lächeln abzugewinnen…
In Boke erreichte ich wieder die Hauptstraße. Eine Stadt, die sich ganz dem Bauxit Tagebau verschrieben hatte. Schon vorher traf ich auf die LKW-Kolonen, die das Rohmaterial transportierten. Das Geschäft ist komplett in chinesischer Hand (Fa. Chalgo). Es gab kilometerlange Förderbänder durch den Dschungel bis hin zu eigens angelegten Häfen, in denen die Frachtschiffe lagen. Die für die Chinesen erbauten Wohnsiedlungen mit eigenen Supermärkten erzeugten ein etwas skurriles Bild. Auf der linken Seite der Straße befand sich das bekannte Bild der Afrikaner in ihren Strohhütten, auf dem Boden kochend und unter dem Mangobaum sitzend. Auf der rechten Seite dagegen war eine mit Mauern umrandete Wohnsiedlung nach westlichem Vorbild, die sich vom Rest der Welt abkapselte.
Die Fahrt bis Conakry war erneut anstrengend. Viele Schlaglöcher und viel Verkehr. Eine Siedlung nach der anderen reihte sich der Hauptstraße entlang. Es lag ständig ein beißender Rauch in der Luft. Es wurde Holzkohle erzeugt, die man am Straßenrand aufgereiht, erwerben konnte. Die Köhlereien befanden sich in mitten der bewohnten und verrusten Strohhütten, so dass die hiesigen Bewohner ständig im Qualm lebten. In vielen Ecken war der Regenwald abgeholzt und es ragten lediglich die abgesägten Baumstümpfe aus dem Boden. Ein trauriges Bild.
Die Hoffnung, in dieser Gegend ein vernünftiges Hotel zu finden ergab sich leider nicht. So entschied ich bis zur Hauptstadt “durchzuziehen”, fuhr 120 – 130km am Tag und erreichte Conakry einen Tag vor der Stichwahl des Präsidenten. Schon seit Wochen gab es gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und der Regierung, die das Militär zur “Beruhigung” der Aufständischen einsetzte. Es wurde mit scharfer Munition geschossen und es gab daher schon ca. 40 Tote. So brannten bei meinem Eintreffen Straßenzüge, das Militär riegelte einzelne Bereiche ab und war stark präsent. Mir wurde höflich, aber sehr bestimmt gesagt, gefälligst eine andere Route zu nehmen. Die gut 40km aus dem Außenbereich bis in die Innenstadt waren ein Spießrutenlauf.
Von einer Bekannten hatte ich die Adresse einer katholischen Kirchengemeinde, die auch Reisende beherbergt. Ziemlich erledigt traf ich dort ein und erkundigte mich nach einer Unterkunft. Auf meinen bisherigen Reisen konnte ich mich nicht erinnern, jemals so wirsch abgewiesen worden zu sein. Es gab keinen Platz mehr für mich. Am frühen Nachmittag! Auch meine Erwähnung, dass ich für MercyShips arbeitete, die letztes Jahr hier für 10 Monate ihren Dienst verrichteten, half diesmal auch nichts. Wie ein geprügelter Hund zog ich weiter. Niemand wollte mir weiterhelfen. Am Ende landete ich in einem “Luxushotel”. Erst wurde ich kritisch begutachtet, war mein Auftreten nach einigen Tagen im Dschungel nicht gerade dem Klientel entsprechend. Aber nachdem sie meine Gold Kreditkarte gesehen haben, lächelten sie und waren freundlich. Afrika kann man immer noch günstig kaufen, 😉 .
Schon im Vorfeld wurde mir Conakry als “Drecksloch” beschrieben. Das kann ich bestätigen. Es gab gefühlt noch mehr Müll, verwahrloste Ecken und der “Stadtstrand” war ein Armutszeugnis. Einzelne Bereiche der Stadt waren Slumähnlich. Ständig wurde ich nach Geld angequatscht, speziell die Kinder waren teilweise sehr aufdringlich und schwer abzuwimmeln.
Ein paar Tage verbrachte ich in der Stadt. Der Freilauf war jetzt komplett defekt. Viele Stunden verbrachte ich auf den Märkten bei der Suche nach Ersatz oder einer vernünftigen Nabe. Es gab lediglich gebrauchte Ware und nichts für mein 9-Gang System. Niemand fuhr hier Fahrrad, deshalb gab es auch nur ein überschaubares Angebot. Fahrrad bedeutete hier Kinderfahrrad und hörte bei 20 Zoll auf. Am Ende speichte ich die Nabe aus Bissau ein, fettete das Lager und war damit wieder startklar!
Der Coronavirus machte mittlerweile auch hier die Runde. Die einzige Maßnahme bestand lediglich darin, Wasserbehälter vor den Eingängen einzelner Geschäfte aufzustellen und die Kundschaft anzuhalten, vor dem Betreten die Hände zu waschen. Seife gab es aber in den seltensten Fällen. Wenn ich die wenigen Krankenhäuser und deren Zustand gesehen habe, wäre eine Corona Pandemie in diesem Land der reinste Horror. Im Gegensatz zu Gambia oder dem Senegal gibt es hier fast keine Hilfsorganisationen. Guinea ist um einiges ärmer, das ist deutlich zu sehen. Eine vergessene Nation?
Die Grenzen nach Sierra Leone waren noch offen. Es gab nichts, was mich in Guinea und schon gar nicht in Conakry hielt.
In gut einem Tag konnte ich an der Grenze sein. Freudig zog ich los. Ein Land das politisch stabiler war und in dem man Englisch spricht…