Wasser für Senegal

Durch einen Arbeitskollegen in Deutschland hatte ich Kontakt zu einer bayrischen Organisation, die in Thiès aktiv ist. Sie ist seit über 25 Jahren, hauptsächlich im Brunnenbau tätig. Rahim, der ortsansässige Projektleiter lud mich ein und nahm sich viel Zeit, um mir ein paar Projekte zu zeigen.
Die Stadt erwartete mich mit dicken, schwarzen Rauchschwaden, erzeugt von einer “Müllverbrennung” am Ortseingang. Es war heiß und ich hielt an einem Laden, der Verkäufer berechnete mir für die kalte Cola zu erst den doppelten “Toubab” Preis. Versuchen kann man es ja. Später erzählte er mir, die “Anlage”, die lediglich aus einem Loch, das sich zwischen Wohnhäusern und Ladengeschäften befand, war ständig im Betrieb. Und wieder war ich an dem Punkt: Der Herzinfarkt ist sicher die seltenste Krankheit im Senegal, aber jeder müsste hier doch an Atemwegserkrankungen leiden?
Der Verein “Hilfe für Afrika” bzw. “Wasser für Senegal” kümmert sich vorwiegend um die Trinkwasserversorgung in entlegenen Dörfern im Busch. Lieferte der Brunnen genug Wasser, konnte dieser auch zur Bewässerung in der Landwirtschaft genutzt werden. Eine klassische Anlage besteht aus einem Brunnen, einer elektrischen Pumpe, einer Solaranlage zur Stromerzeugung und einem Wasserbehälter. Hinzu kommt die Bewässerungsanlage für die Gärten. Hier ging man die letzten Jahre zur Tröpfchenbewässerung über. Im Gegensatz zu der konventionellen ist diese wesentlich effizienter im Wasserverbrauch. Die Bayern waren mit diesem System Vorreiter im Senegal. Gerade in den Zeiten der Klimaerwärmung ein interessanter Aspekt. Die Auswirkungen sind mittlerweile deutlich zu spüren. Die Regenzeit fing in den letzten Jahren später an, war damit kürzer und die Wassermenge entsprechend geringer. Zusätzlich war die Trockenzeit um einiges wärmer. Momentan hatte es tagsüber bis zu 45 Grad, was sehr untypisch war!
Stand am Ende die Anlage, werden zudem Schulungen und Seminare über den Gemüseanbau und deren Vermarktung gegeben. Alles aus einer Hand. Das Ziel der Gärten ist es, vorwiegend Frauen, finanziell unabhängiger zu machen und eine ausgewogenere Ernährung der Familien zu gewährleisten. Zudem ermöglicht ein Brunnen den Dörfern, auch außerhalb der Regenzeit, Landwirtschaft zu betreiben.
Ein weiterer Bereich des Vereins ist der Bau von Schulen in abgelegenen Dörfern. Der Bedarf ist groß. Die Bevölkerungszahl des Landes ist in den letzten Jahren immens gestiegen und das Bildungsniveau, gerade in den abgeschiedenen Teilen des Landes erschreckend niedrig. Das war auch meine Erfahrung auf dem Schiff. Viele Patienten aus dem tieferen Senegal konnten weder lesen noch schreiben. Auch die Französische Sprache ist nicht so weit verbreitet, wie man vielleicht vermutet.
Finanziert werden die Projekte zum größten Teil aus dem Topf des Deutschen Entwicklungshilfeministeriums, dem BMZ. Das Verhältnis liegt, je nach Projekt, bei ca. 80% aus Steuergeldern und 20% aus privaten Spenden des Vereins. Die Organisation hat schon so einige Brunnen und Schulen gebaut. Dank des Einsatzes von Rahim war die Umsetzung immer tadellos. Was die Nachhaltigkeit einzelner Projekte angeht, war der Effekt jedoch nicht immer so, wie man es sich vorgestellt hat. Es gab den ein oder anderen Rückschlag. Wie z.B.: Eine Anlage zur Tröpchenbewässerung muss hin und wieder gewartet werden. Dies war bei einem aktuellen Projekt nicht der Fall. Nach einiger Zeit funktionierte die Anlage nicht mehr und der Gemüseanbau wurde gestoppt. Da das Problem nicht behoben wurde, machte das Dorf so weiter wie bisher. Die Investition von ca. 20.000 Euro lagen einfach brach. In anderen Fällen wurden Wasserleitungen illegal von Einzelhaushalten angebohrt, für die Landwirtschaft war dann nicht mehr genug Wasser vorhanden. Dem “Community” Projekt wurde der “Hahn” abgedreht. Für die Beteiligten, die Hilfestellung leisten ist das alles sehr frustrierend!
Ein Land wie der Senegal, das politisch relativ stabil ist und keine Kriege oder sonstige Krisen hat, ist ein Eldordo für Hilfsorganisationen. Das Sicherheitsrisiko für freiwillige Hilfskräfte ist gering, eine Infrastruktur vorhanden und Einsätze damit relativ einfach machbar. Die Anzahl der Einrichtungen ist damit beachtlich. Es sind viele große, wie Caritas oder WorldVision und unzählige kleinere aktiv. Den Effekt der Hilfsleistung würde ich mittlerweile als sehr fragwürdig bezeichnen. Einige Gebäude von Worldvision habe ich gesehen. Sie waren, schon nach ein paar Jahren im Betrieb, herunterkommen und in einem bemitleidenswertem Zustand.
In Thies selbst gibt es ebenfalls eine Außenstelle der deutschen GiZ. Der Niederlassungsleiter lebt in einem hübschen, großen Haus und kümmert sich um die örtlichen Projekte. Der Etat ist riesig, der Effekt der Projekte gering. Zu sehen am “Bayrischen Haus”. Ein nettes Gebäude, in dem junge Menschen, gerade im Bereich der Solartechnik, ausgebildet werden sollen. Hört sich klasse an und lasst sich prima verkaufen. Als ich vorbeifuhr, war niemand anwesend. Wie ich mitbekam, stand das Haus zum Großteil leer und Seminare finden nur sehr selten statt.
Wenn man verschiedenen Geschichten trauen darf, so war der Projektablauf ähnlich. Eine Summe X wird von der Organisation zur Verfügung gestellt. Die Bauherren oder Projektleiter zwacken sich einen Teil ab und lassen, vom restlichen Geld, in billigster Bauweise die Projekte entstehen. Alternativ wird das Budget überzogen und Geld nachgefordert, die Projekte aber selten vollständig fertiggestellt. Eine Überwachung findet oft nicht statt und entsprechende Kontrollen sind rar.
In einem konkreten Fall ging es um mehrere Schulgebäude, die gerade fertiggestellt und hübsch anzusehen waren. Zur Einweihung wurde die Presse eingeladen, Hände geschüttelt und sich gegenseitig auf die Schulter geklopft. Der ortsansässige Bürgermeister und die entsprechenden Bauherren bekamen ihren Obolus, die Spender sahen schöne Bilder und lasen tolle Pressemitteilungen. Alle waren glücklich. In der Planung waren die Toiletten für die Schüler noch vorhanden, aber gebaut wurden sie nie, das Geld versickerte einfach. Geschichten wie diese sind keine Einzelfälle und hörte ich mittlerweile öfters.
So lange andere Länder oder Organisationen nur Geld zu geben, ohne eine Gegenleistung bzgl. politischer Entscheidungen der Regierungen oder entsprechende Kontrollen erwarten, wird sich vermutlich an dem System auch nichts ändern. Es gibt, gerade im Senegal eine “Elite”, die sehr gut lebt, so gut wie keine Steuergelder bezahlt und sich um den Rest der Bevölkerung nicht kümmert. Der Staat ist weiterhin korrupt und die Verknüpfung der, (hier muslimische) Religion und dem Staat ist so eng, dass jede freie und unabhängige Entwicklung im Keim erstickt wird. So hat sich über all die Jahre eine “Hilfsleistungs-Industrie” entwickelt, die viele Nutznießer, Günstlinge und Arbeitsplätze geschaffen hat.
Ist dieses System noch sinnvoll, oder müsste da dringend eine Anpassung an der Strategie gemacht werden? Aber welche Organisation oder auch ein (Entwicklungs-) Ministerium würde sich schon gerne selbst abschaffen?
Ein weiterer Punkt: In einem Land, das zu 95% aus Muslimen besteht, stellt man sich die Frage: Wo sind denn die Hilfsleistungen bzgl. humanitärer, oder auch Infrastruktur bedingter Einsätze der Muslimischen Kirche? Gesehen habe ich jedenfalls keine. Die Organisationen im Lande sind, wenn religiös, dann christlich geprägt.

Nach ein paar sehr interessanten Tagen und langen Diskussionen, auch mit anderen Vereinsmitgliedern, die aus Deutschland zu Besuch waren, zog ich weiter. Vielen Dank für die herzlichen Gastfreundschaft an Rahim und seine Frau!
Dank Rückenwind war das Atmen jetzt nicht mehr ganz so schwer, ich kam besser zu recht und lies “Gott” erst einmal rechts liegen. Meine Zeit ist noch nicht gekommen, 😉 .