RideSouth

Es war soweit. Endlich ging es nach Süden. Zu erst wieder zurück an die Küste, zu den Touristen. Es war eine Abkürzung auf einer Erdpiste, gut 30km durch den Busch und kleine Dörfer. An das “Toubab”, “Toubab” muss ich mich wohl gewöhnen, es wurde mittlerweile aus jeder Ecke gerufen. Kaum wurde ich von den Stöpseln gesichtet, ging es los. Auch konnte ich in dieser Gegend kaum absteigen, ohne von den Kids umzingelt zu werden.
An der Hauptstraße entlang der Küste war dagegen wieder dichter Verkehr und schlechte Luft. Hilfsorganisationen gab es einige zu sehen. Oft passierte ich Schilder mit dem Europawappen. Wie viel Geld man da über die Jahrzehnte in diese Länder gesteckt hat? Die Frage, ob das alles etwas bringt, ist für mich immer noch noch nicht gänzlich geklärt. Sichtbar waren in dieser Region auch die vielen Kirchen und christliche Schulen bzw. Einrichtungen.
Die kleine Insel mit der Stadt Fadiouth, die auf Muscheln gebaut war, lies ich rechts liegen. Man musste Eintritt bezahlen wenn man über die Brücke wollte. Mit dem Rad war ich schon auf dem Steg, da rannte der Touristenführer hinter mir her und wollte mich in sein Büro zerren. Selbst war ich aber nur am Eintrittspreis interessiert. Er sagte bestimmt: “5000 CFA!”. “That’s too much!”, sagte ich dem Touristenführer, der etwas sauer dreinschaute. Heute war mir nicht nach zahlen, so drehte ich mein Rad um und zog, ohne abzusteigen, einfach weiter.
In Ndangane, am nördlichen Rand des Deltas nahm ich mir ein kleines Hotel. Es müsste möglich sein, ein Boot zu organisieren, dass mich auf die andere Seite des Deltas brachte. Die Aktion würde mir locker 2-3 Radtage sparen. So fragte ich an dem kleinen Anleger herum, gab dem Manager des Hotels Bescheid und wartete einfach. Alleine wollte ich mir ein Schiffchen nicht leisten, das war viel zu teuer und so brauchte ich Mitreisende für den Trip.
Am gleichen Abend hörte ich in der kleinen Hauptstraße Schweizer Deutsch. So laberte ich die beiden Jungs an. Es waren frisch graduierte Biomediziener, die im klassischen Backpacker Stil unterwegs waren. Im Restaurant später fanden sie meine Geschichten so interessant, dass sie am Ende die Bierrechnung übernahmen. Wäre das ein Geschäftsmodell? Mit Stories den Durst stillen?
Im Hotel wollte ich WLAN, das aber, wie so oft nicht funktionierte. Der Manager probierte es zum laufen zu bringen. Fehlanzeige. Das Thema wurde dann afrikanisch gelöst: Ich soll doch einfach in das große Hotel gegenüber kommen. Er arbeitet dort, es gab eine Bar, ein Restaurant, einen Pool mit Liegen und herrlichen Ausblick auf das Wasser. WLAN funktionierte prima, ich sei sein Gast, solle die Anlage nutzen und zum schlafen in sein Hotel zurück gehen. Gesagt, getan. Das war Afrika!
Spät am Abend klopfte es dann an meiner Tür. Es waren zwei Französinnen, die ebenfalls auf die andere Seite des Deltas wollten. Prima, der Plan hat funktioniert! Vieles wird einfach unter der Hand geregelt, ohne das man etwas mitbekommt. Manchmal muss man nur die “Saat” auslegen und warten können.
Am nächsten Morgen standen wir um 7 Uhr am Anleger und warteten zwei Stunden auf unser Boot. Wir überbrückten die Zeit, indem wir uns über die allgegenwärtigen afrikanischen Geschichten lustig machten. Klar, hatte auch unser Fährmann eine Ausrede parat. Er konnte nicht ablegen, er steckte fest und hatte niemand auf dem Schiff, der im helfen konnte. Sie kamen aber zu zweit?
Mein Rad kam vorne, in das schon etwas in die Jahre gekommene Schiffchen. Nachdem wir den Flusslauf in Richtung Meer folgten, passierten wir einen offenen Teil um einen Flusslauf zu queren, der Wind war stark und der Wellengang entsprechend. Das Schiffchen schaukelte wild, den beiden war es nicht ganz geheuer und mein Fahrrad bekam ordentliche Ladungen an Salzwasser ab. Wieder in den Flussläufen wurde es ruhiger, wir sahen viele Vögel und erreichten nach über sechs Stunden Toubacouta. Unsere Fährmänner, mittlerweile waren sie zu dritt, begleiteten uns noch zu der Unterkunft und wollten am Nachmittag die ganze Strecke wieder zurück tuckern. Wozu wir drei Verantwortliche auf dem Boot hatten, war mir bis zum Schluss unklar.
Im Hotel angekommen, stellte ich mein Rad erst einmal unter die Dusche. Das Salz war schon verkrustet und saß überall. Auch die Klamotten waren klebrig und starr.
Beim abendlichen Spaziergang durch das Dorf traf ich einen Aussteiger mit seinem Freund. Sie kamen mit einem “frosch grünen” Mercedes Bus aus Deutschland bis hierher gefahren. Ein “Schrotti”, der seine Touren u.a. mit dem Verkauf von Schraubenschlüsseln, die er über die Jahre angesammelt hatte, finanziert. Auf den Wochenmärkten verkauft er den ganzen Kram. Laut seinen Aussagen hatte er mehrere 100kg an Kruscht dabei.
Den Abend verbrachten wir gemeinsam in einem kleinen Restaurant. Der Wirt besorgte Bier und es wurde eine feucht-fröhlicher Angelegenheit. Seine Frau kochte uns sehr leckere Fischspieße. Es wurde spät und keiner hatte die Motivation am nächsten Tag diesen netten Ort zu verlassen. So blieben wir noch einen Tag und erkundeten die nähere Umgebung. Es gab ein großes Nobelhotel und Restaurant mit herrlichem Blick über das Wasser. Leider waren die Zugänge zum Wasser, wie so oft, Privatgelände und wir kamen nicht hin. Am Abend landeten wir wieder in besagtem Restaurant. Der Wirt erkannte uns und empfing uns mit etwas besorgtem Blick. Er hatte keine Lizenz um Bier zu verkaufen, das nahmen ihm einige Nachbarn krumm, auch die Tatsache, dass der Tisch am Vorabend mit leeren Bierflaschen überfüllt war kam nicht gut an. So bekam heute jeder nur ein Bier, dass wir dann unter dem Tisch verstecken mussten. Zu seiner Erleichterung trafen die beiden Französinnen zum Essen ein und seine Miene heiterte sich wieder auf.
Am nächsten Tag brach ich früh auf und überholte die vielen Schüler, die auf Rädern, zu Fuß oder auf Eselskarren, auf dem Weg zur Schule auf der Hauptstraße unterwegs waren. Sie grüßten alle überaus freundlich und winkten dem radelnend Toubab zu.
Gambia war nicht sehr weit und so erreichte ich schon am Vormittag die Grenze. Das Immigrationsbüro fand ich schnell. Einem gelangweiltem Polizisten gab ich den “Auftrag” auf mein Rad zwischen dem Menschenauflauf aufzupassen. Um wie viel das alles einfacher war, wenn die Leute wieder Englisch sprachen! Im Gebäude standen einige Busfahrer mit Stapelweise Pässen in der Hand. “Das kann ja dauern”, dachte ich. Aber plötzlich “rutschte” mein Pass kurz dazwischen und ich bekam einen Stempel reingeknallt. Der “Stempler” machte eine Kopfbewegung zur Tür und ich konnte das enge, schwitzige Büro wieder verlassen. “Kostet das etwas?”, fragte ich den am Eingang befindlichen Polizisten. Er schaute etwas irritiert und fragte, ob ich mit dem Fahrrad unterwegs bin. “Ja, das ist meines”, erwiderte ich. Dann schüttelte er den Kopf und wünschte mir eine gute Reise. “Welcome to Gambia!”