Give me, Give me!

Kurz nach der Grenze in Gambia machte ich, etwas abseits der Straße, im Schatten von Mangobäumen eine kleine Pause. Noch hatte ich senegalesisches Netz und konnte ein paar Botschaften verschicken. Zudem war es mein Frühstück. Es dauerte aber nicht lange, da kamen Jungs aus dem Busch und umzingelten mein Fahrrad. “Give me this, Give me this” und zeigten auf meinen Helm, meine Taschen oder den Strohhut. Es dauerte eine Weile bis ich sie wieder los hatte. Dieses Thema wird mich jetzt zunehmend verfolgen.
In Barra fuhr ich direkt an den Hafen, die zweite ATM Maschine spukte meine ersten Dolaris aus und ich konnte mir eine Karte für die Überfahrt kaufen. Keine 10 Sekunden stand ich an der Anlegestelle, da sprach mich der nächste Type an. So gab ich ihm den Job mir eine Fahrkarte zu besorgen, während ich beim Fahrrad blieb. In dem Gewimmel fühle ich mich nicht sehr wohl, da kommt schnell etwas weg. Mein Aufpasser bahnte mir zusätzlich noch einen schnelleren Weg durch die Absperrung. Die 50 Cent haben sich daher gelohnt, 🙂 . Die Fähre war voll mit schwarzen E Klasse Diesel Daimlern, die noch die Verschiffungspapiere aus Dakar an der Windschutzscheibe kleben hatten. Es war das Standardauto in Gambia. Fast alle Taxis waren dieses Model. Irgendwo musste der alte Dieselkram ja hin, 🙂 . Überhaupt kamen viele Autos, speziell Lieferwägen aus Deutschland. Die Original Logos der Handwerker waren meistens noch vorhanden, so auch der Distelhäuser Wagen. Oder war das bei den Temperaturen doch eine Fata Morgana?
Auf der anderen Seite angekommen, war ich schon fast in der Hauptstadt. Im Hafen lagen zwei Stromversorgungsschiffe der Türkei, sie stützen das Gambianische Stromnetz. Aber genauso wie das Internet, brachen die Netze immer wieder für ein paar Stunden zusammen.
Die Hauptstadt erwartete mich wieder Müll, Verkehr und Menschen überall. Nichts besonderes, so fuhr ich direkt zu einem kleinen Campingplatz, den ich auf der Karte fand. Dort war alles zweisprachig. Deutsch und Englisch. Geführt von einem älteren deutschem Ehepaar, die diesen Platz vor vielen Jahren errichtet haben. Nett eingerichtet, mit funktionierenden Toiletten und Duschen. Wie eine kleine Oase. An vielen Ecken hingen Regeln. Was wie viel extra kostet und was erlaubt war oder nicht. Typisch Deutsch eben.
Das eigentliche Urlaubszentrum von Gambia lag nicht weit entfernt. Die Strände von Serrekunda waren bei den internationalen Touristen beliebt. Es tummelten sich vorwiegend Holländer, viele Engländer aber auch einige Deutsche am Strand. Es gab sogar eine Swiss Tavern, die aber außer dem Namen nichts Eidgenössisches zu bieten hatte.
Ein paar Tage blieb ich in der Hauptstadt. Genoss die Gelegenheit das “wichtige” Fussballspiel (Barca – Madrid) in einem deutschen Restaurant zu verfolgen und mich mit einem Ex MercyShipper zu treffen, der ebenfalls in der Gegend war. Einige Zeit verbrachte ich mit einem Aussteiger der Neuzeit. Einem “digital normad”, der sein Geld als Freelancer für online Artikel verdient und mit seinem Laptop durch die Welt tingelte.
Durch meinen MercyShip Kollegen bekam ich später die Gelegenheit, ein kleines Buschkrankenhaus im Landesinneren kennenzulernen. Als Urlaubsvertretung übernahm er für ein paar Wochen die Verantwortung. Eine kurzen Einblick bekam ich in die christliche Organisation (WEC), die mehrere Standorte in Gambia hatte und zu einem großen Teil vom deutschen Staat finanziert wird. Die Ausstattung des Krankenhauses war zwar schon etwas betagt, aber trotzdem umfangreich. Kleine OPs konnten durchgeführt werden, es fehlte aber an geeignetem und geschultem Personal. Auch war ein digitales Verwaltungssystem installiert, aber es gab niemanden der es bedienen konnte. Die lokalen Krankenschwestern hatten schlichtweg keine Ahnung in der Bedienung eines PCs und verwalteten das Krankenhaus mit einer Zettelwirtschaft. Mein Angebot sich die Sache einmal anzusehen und eventuell ein wenig PC Unterricht zu geben, kam bei den Leuten vor Ort super an, wurde dann aber von der Verwaltung abgelehnt. Das Argument: zu kurzfristig, das müsste man erst organisieren! So packte ich meine Sachen und zog weiter. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass es an diesem Standort wenig strukturiert zuging. Wer weiß, wozu es gut war diesem Chaos zu entfliehen, 🙂 .
Der Ostwind und die tagsüber herrschenden 45 Grad machten das radeln anstrengend. Je weiter ich in das Landesinnere vorstieß, desto ärmlicher wurden die Dörfer. Eine neue Erkenntnis: Gab es keine Stromleitungen entlang der Hauptstraße, gab es auch keine kalte Cola! Normalerweise ein Highlight des Tages. Erstaunlich, wie sich der Körper in einen Durchlauferhitzer verwandelt. Bis zu acht Liter Wasser liefen am Tag hindurch. “Getankt” wurde an den örtlichen Brunnen in den kleinen Dörfern. Ich trank Unmengen an Tee, da ich das Wasser sicherheitshalber abkochte. An den Brunnen waren immer nur Kinder oder Frauen tätig. Leider war die Verständigung schwierig. Englisch konnte auf den Dörfern fast keiner mehr, hier sprach man lediglich Mandika.
Auffällig waren die ständig wiederkehrenden Absperrungen, ob von der Polizei oder dem Militär. Wollte man, aber ohne kontrolliert zu werden passieren, mussten man lediglich während der Mittagszeit vorbei. Der Verantwortliche lag dann meistens im Schatten, am Straßenrand und war viel zu bequem in der Hitze aufzustehen. Aber als Radler wurde ich sowieso nie kontrolliert.
Die kulinarischen Höhepunkte hielten sich in Grenzen. Es gab hin und wieder Bananen oder ein paar Orangen. Schon zum Frühstück gab es Baguette, entweder mit Hühnchen oder Fischpaste gefüllt, je nach Region. Ab und an auch frittierte Bohnenstücke. Dazu eine schärfere Sauce oder einfach nur Majonäse. In den kleinen Dorfläden gab es vorwiegend Produkte aus Indien, Türkei, Marokko oder England. Der Reis, Zucker und Salz wurde als “Schüttgut” verkauft, man lag also total im “Unverpackungstrend”, 🙂 .
Wie im Senegal auch, gab es immer wieder Hilfsorganisationen die ihr Werk verrichteten. Viele aus Deutschland, Kanada, Südkorea und diesmal auch muslimisch geprägte, vorwiegend aus der Türkei. Die ganze Region war stark muslimisch geprägt. Das hieß, Alkohol gab es selten. Betrat ich aber einen von Libanesen geführten Laden, boten sie mir schnell Bier an. Die Heiniken Dosen waren dann meistens ganz hinten, unter den Cola Dosen im Kühlfach versteckt und sündhaft teuer.
In Georgetown, direkt am Gambia Fluss, legte ich einen Ruhetag ein. Bei meiner Ankunft am Fähranleger dauerte es keine 10 Sekunden und es kam schon mein persönlicher Tourguide angesprungen. Was ich wollte, er könnte mir alles mögliche anbieten. Touren auf dem Fluss, eine Unterkunft, Restaurants, Dope oder auch Frauen. Selbst musste ich mich zusammenreißen, nach 100km Gegenwind bei der Hitze war man leicht reizbar. Einen müden Radler, der gerade aus dem Sattel gestiegen ist, mit Touristenkram zu nerven ist nicht sonderlich ratsam. Das erklärte ich ihm und erwähnte ebenfalls, dass bei mir nichts zu holen sei. Die “Give me, Give me” Mentalität ging mir gehörig auf den Senkel. Er kapierte es und lotste mich lediglich zu seinem Kumpel, der Zimmer vermietete. Nach einiger Verhandlung hatte ich dann eine Unterkunft, direkt am Fluss, unter großen Mangobäumen gelegen. Der Type verzog sich, aber ein anderer hatte Lunte gerochen und setzte sich ungefragt an meinen Tisch. Wieder jemand der Geld witterte. Moungu, sein Name. Den bekam ich nicht so schnell los. Er erzählte mir jedoch ein paar Dinge über die Gegend und führte mich herum. Die Stadt lag auf einer Insel. Da die Leute nicht schwimmen konnten, errichteten die Engländer ein Gefängnis und Sklavenhaus, war es den Insassen nicht ohne weiteres möglich zu fliehen. Die Sklaven wurden aus dem Umland gesammelt und auf dem Fluss bis Banjul oder später nach Übersee, verschifft. Am Abend in der Kneipe war ich wieder “best friend”, jeder gab mir seine Email Adresse und (sinnloserweise) seine WhatsApp Nummer. Jeder in der Hoffnung das Land irgendwann verlassen zu können. Auch am Tag meiner Abreise, wartete Moungo auf der Straße auf mich, ob ich nicht etwas für ihn hätte? “Nein!”, es war mir einfach zu viel. Er war tiefbeleidigt und zog wie ein geprügelter Hund von dannen. Macht Afrika “kalt?”.
Meine Tour führte mich noch fast bis an das Ende von Gambia, nach Bassa, dann über die Grenze bei Sabi und wieder zurück in den Senegal. Durch einen langen Schlag erreichte ich Kolda. Wieder eine Stadt, die man nicht gesehen haben musste. Aber es gab zur Abwechslung Pizza, das war es wert.
In Tanaff erreichte ich wieder eine der vielen Kontrollen auf der Straße. Mit dem Beamten kam ich ins Gespräch, wollte ich ja eigentlich nach Guinea-Bissau, hatte aber kein Visum. Das bekam man lediglich in Ziguinchor. Da wollte ich aber gar nicht hin. Zum einen war es ein Umweg von ein bis zwei Tagen und zum anderen kannte ich das Örtchen schon. Der gute Mann versicherte mir aber, daß es an der Grenze möglich wäre ein Visum “on arrival” zu bekommen. Ich fragte mehrmals nach und er bejahte es mehrfach. Somit nahm die die Abkürzung und bog in die Sandpiste ein. Nach 10km erreichte ich die Grenze. Der senegalesische Beamte verstand nicht viel meines Kauderwelsches, machte mir aber deutlich, daß in Guinea-Bissau alles klappen würde. Somit bin ich los, es war schon spät am Abend, die Sandpiste anstrengend und die 100km auf dem Tacho schon voll. Zur Immigration von Guinea-Bissau, in Farim waren es immer noch 15km auf der sandigen Piste. Müde und ohne Wasser hatte ich jetzt keine große Lust mehr auf Diskussionen der afrikanischen Art… mit einem Polizisten oder Immigrationsbeamten!