Unters Volk gemischt

Dakar ist bekannt für sein Nachtleben. Durch unsere Ausgangszeiten auf dem Schiff war es uns jedoch nicht so ohne weiteres möglich daran teilzunehmen. Gerade die im Norden gelegenen Stadtteile, Ngor und Almadies waren bekannt dafür. In unserem Lieblingsrestaurant Sharkys, direkt am Strand, gab es am Wochenende gute Live Jazz Musik. Den Manager kannten wir bereits und bekamen 10% Rabatt, 😉 . Hier trafen sich vorwiegend die Toubabs (Weiße) und reichere Einheimische. Für das gehobenere Klientel war der Leuchtturm (Phare des Mamelles) angesagt. Hier fanden sich ebenfalls gute Bands und ein interessantes Publikum, die oberste Oberschicht bei entsprechenden Preisen. Die Gigs, in denen sich dann die Einheimischen herumtrieben, finden in den Clubs statt und starten erst gegen Mitternacht. Senegalesischer Folk, kombiniert mit aktuellem Pop. Gar nicht schlecht, die Rhythmen waren aber irgendwann immer die gleichen. Den “American Dream” fanden wir schlussendlich auch noch. Schlechte Coverbands gemischt mit saftigen Preisen, momentan jedoch total angesagt und damit proppenvoll. Ein miserabler Versuch die USA zu kopieren. Eines Abends wollte ich “nur” auf ein Bier mit meinem holländischen Mitbewohner. Am Ende waren wir auf einem Open Air Rap Festival. Es war die Hölle los, nur ganz wenige Toubabs bewegten sich im Publikum. Unsere “Day Crew” hatte uns den Tip gegeben und nahm uns mit. Hip Hop und Rap ist im Senegal sehr verbreitet und auf dem Festival waren wohl einige der Größen vertreten. Die Stimmung war großartig, ansonsten hätte ich es vermutlich keine vier Stunden ausgehalten. Denn die Musik ist wirklich nicht mein Fall. Trotzdem ein tolles Erlebnis, auch ohne Bier, denn Alkohol wurde nicht ausgeschenkt. Eine Notiz am Rande: Der dritt reichste Mann im Senegal erwirtschaftet sein Geld als Alkoholdistributor. Wohlgemerkt: In einem muslimischen Land!
Meine beiden amerikanischen Freunde schafften es doch tatsächlich, mich auf die kleine Insel Ngor zu bringen. Eigentlich wollte ich mir es sparen, waren mir schon die Typen am Strand, die einen in die Boote zur Überfahrt überreden wollten, zu viel. Die Schiffchen wurden bis zum letzten Platz vollgepackt und jeder musste eine Schwimmweste tragen. Das wirkte erst etwas lächerlich, aber man muss wissen, in Afrika können die wenigsten schwimmen. Der Besuch lohnte sich dann auch. Klein aber fein, ein bisschen Kunsthandwerk und hübsche Standabschnitte mit Blick auf Dakar. Hier konnte man etwas Ruhe von der hektischen Großstadt genießen. Für Surfer war es die “Location” überhaupt, gab es die höchsten Wellen in der weiteren Umgebung. Die (windabgewandten) Südseite von Dakar war für die Anfänger, hier dagegen waren die Profis auf ihren Brettern unterwegs.
Durch meinen Arbeitskollegen bekam ich die Chance einer senegalesischen Hochzeit beizuwohnen. Seine Schwester heiratete und so lud er mich ein. Was für eine Geste! Eigentlich war ich auf Bereitschaft, fand aber Mittel und Wege, meinen Pager abzugeben, 😉 . Ein interessantes Erlebnis im Hause der Großfamilie. Der Vater hatte vier Ehefrauen, so wie es im Senegal nicht unüblich ist. Wie viele Geschwister, oder gerade Halbgeschwister er hatte, wusste er selbst nicht. Eine ausladende Feier im großen Stil war es nicht. Erst gingen die Männer in die Moschee, dort fand dann die kirchliche Trauung, ohne Braut statt. Anschließend kam die Braut und die Familie feierte. Gegessen wurde, wie immer getrennt, zwischen Männer und Frauen. Alle saßen um eine große Schüssel, jeder bekam einen Löffel und speiste. Oft auch mit den Fingern. Am späten Abend führten die Frauen einen speziellen Hochzeitstanz auf und beendeten damit die Festlichkeiten. Kurz und schmerzlos. Andere Hochzeiten können wohl schon pompöser ausfallen, aber das ist ein finanzielles Thema. Nicht jede Familie kann sich das leisten.
Eines Tages ergab sich für mich denn endlich die Möglichkeit eine echte “la lutte” (Wrestling), zu besuchen. Es fand auf den Sandplatz eines Stadtviertels statt. So schleifte ich meinen Kollegen und seinen Bruder hin. Schon am Eingang gab es eine schlagkräftige Auseinandersetzung zwischen der Polizei und den Fans. Wir warteten eine Zeitlang bis es sich beruhigte. Als einziger Toubab und ohne Frauen stand ich dann im Publikum. Die Kämpfer wurden angefeuert und die Stimmung hitzig. Lange blieben wir nicht, aber ich hatte es gesehen.
Die Märkte lernte ich mittlerweile auf eine andere, spezielle Art kennenlernen. Mein Syklight Filter der Kamera war defekt und ich benötigte einen neuen. Eigentlich eine einfach Geschichte. Nicht hier! Es kostete mich viele Stunden und war ein Geduldspiel. Meine Suchanfrage ging durch die WhatsApp Gruppen einiger Verkäufer. So wartete ich dann manchmal über eine Stunde, bis mich anschließend jemand durch die Märkte lotste. In Hinterhöfe, in größere Gebäude und Winkel wo ich von selbst niemals hingekommen wäre. Dort saß in der Regel dann jemand vor einer kleinen Vitrine und verkaufte Kameras. Frustriert stellte ich oft fest, man hat sich falsch verstanden oder es war der falsche Durchmesser. Aber irgendwann klappte es! Kaum zu glauben! In diesem Erfolgsfall bekam ich dann wieder die klassische Geschichte von wegen Hunger, Kinder oder Sonstiges des Vermittlers erzählt. Mir war es zu doof und kürzte ab, indem ich ihm einfach 1000CFA in die Hand drückte. Bei SD-Karten größer 64GB und einem Ersatzakku für meine GoPro, hatten ich übrigens die gleichen Erlebnisse. Es ist extrem schwierig qualitativ hochwertige Produkte oder Ersatzteile zu bekommen. Die Aussage der Verkäufer war schlichtweg: Das ist halt Afrika!
In einem Restaurant hatte ich alte schwarz-weiß Fotografien von Dakar gesehen, es muss einmal eine schöne Stadt, im Kolonialstil gewesen sein. Die Gebäude gepflegt, die Straßen sauber, mit vernünftigen Gehwegen und hübschen Alleen. An manchen Stellen kann man es noch erahnen, wie es ausgesehen hat. Mittlerweile ist es ziemlich heruntergekommen. Neue Betonklotz Hotels ragen gegen den Himmel, von dem alten Charme ist nichts mehr zu spüren. Die Straßen sind schmuddelig, dreckig und vermüllt. Die Stadt legte in den letzten 20 Jahren ein extremes Wachstum hin. Die Landflucht ist enorm. Viele leben teilweise auf der Straße und versuchen ihr Glück als Straßenverkäufer. Eine Ausbildung oder sonstiges haben sie in der Regel nicht und so blieben nur wenige Möglichkeiten eines Auskommens übrig. Die Infrastruktur hinkt um Lichtjahre hinterher und so ist über die Jahre ein Moloch entstanden.